Tollwutimpfung für Mitarbeiter in Tierarztpraxen
14.07.2022 / Dr. med. Joachim Schur
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Pro Praxis Mitglieder,
in diesem Newsletter erhalten Sie aktuelle Informationen zur Tollwutimpfung für Mitarbeiter in Tierarztpraxen.
In Kürze:
- aktuell keine generelle Tollwut-Impfempfehlung für Tierärzte und Mitarbeiter
- als Reiseimpfungen für einige Länder empfohlen
- Postexpositionsprophylaxe möglich
Verschiedene Säugetiere können Tollwutviren in sich tragen und teilweise übertragen, darunter in erster Linie Hunde, Füchse und Fledermäuse. Weltweit gehen die meisten Todesfälle beim Menschen auf Bisse durch infizierte Hunde in Ländern zurück, in denen die Tollwut endemisch ist.
Wie viele andere europäische Staaten gilt Deutschland als frei von der terrestrischen Tollwut. In der Vergangenheit waren hierzulande Füchse das Hauptreservoir für klassische Tollwutviren. Durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen, insbesondere durch den Einsatz von Impfködern, wurde der Erreger bei Füchsen ausgerottet. Der letzte identifizierte Tollwutfall bei einem Fuchs in Deutschland trat im Februar 2006 auf. Der illegale Import von Haustieren (Hunde und Katzen) aus Regionen, die als nicht tollwutfrei gelten, stellt jedoch weiterhin ein Risiko dar.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben weltweit jährlich rund 59.000 Menschen an Tollwut, wobei von einer erheblichen Dunkelziffer insbesondere in Afrika und Asien ausgegangen wird.
In Deutschland sind seit dem Jahr 2001 insgesamt sechs Tollwuterkrankungen an das RKI übermittelt worden. Zuletzt verstarb im Jahr 2007 ein Mann an der Krankheit, nachdem er von einem streunenden Hund in Marokko gebissen worden war. 2005 erkrankten drei Organempfänger durch die Organe einer infizierten Spenderin und starben. 2004 erkrankte und verstarb ein Patient, der sich höchstwahrscheinlich in Indien infiziert hatte.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung gegen Tollwut für Personen mit beruflichem oder sonstigem engem Kontakt zu Fledermäusen sowie für Personen, die in Laboratorien mit Tollwutviren arbeiten. Auch bei Reisen in Tollwut-Endemiegebiete wird eine Tollwutimpfung empfohlen. Eine Impfung von Tierärzten, Jägern, Forstpersonal usw., die nicht mit Fledermäusen arbeiten, ist derzeit in Deutschland nicht erforderlich.
Weitere grundlegende Informationen zum sicheren Umgang mit Biostoffen erhalten Sie bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Download PDF: TRBA 260 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Veterinärmedizin und bei vergleichbaren Tätigkeiten
Tollwut bei ukrainischen Haustieren Geflüchteter
Die Fuchstollwut ist in der Ukraine noch endemisch, und die Krankheit trat in den vergangenen Jahren auch bei ungeimpften Hunden und Katzen immer noch auf. Dennoch beträgt nach Berechnungen des Nationalen und WHO/ OIE-Referenzlabors für Tollwut am Friedrich-Loeffler-Institut die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein ungeimpfter Hund oder eine ungeimpfte Katze zum Zeitpunkt des Grenzübertrittes in der Inkubationsphase befindet, etwa 1:300.000. Bei geimpften Hunden und Katzen ist die potenzielle Gefahr des Ausbruchs der Tollwut noch geringer. Allerdings sollte bei einem entsprechenden Vorbericht und bei einer unklaren Symptomatik unbedingt immer auch an die Tollwut gedacht werden. Eine Impfempfehlung für tierärztliche Mitarbeiter hat sich daraus bisher nicht ergeben.
Postexpositionelle Maßnahmen nach einer Bissverletzung
Diese Handlungshilfe der BGW sollte in der Praxis verfügbar sein. Download PDF: Handlungshilfe bei Biss-, Schnitt- und Stichverletzungen, Stand 01/2022
Sofortige Wundversorgung
Die kontaminierte Wunde sollte postexpositionell sofort und ausgiebig mit Wasser und Seifenlösung gereinigt werden ("Auswaschen des Erregers").
Ärztliche Wundversorgung
Tiefe Bisswunden können vorsichtig mittels Katheter gespült werden. Verätzen und Nähen der Wunde sollten nicht erfolgen. Neben der Immunisierung gegen Tollwut und ggf. Gabe von Tollwut-Immunglobulinen ist auch an die Tetanusprophylaxe zu denken.
Postexpositionelle Immunprophylaxe
Die Maßnahmen der Postexpositionsprophylaxe (PEP) laut Empfehlungen RKI sind dann durchzuführen, wenn der Verdacht auf eine Exposition gegenüber dem Tollwutvirus nicht entkräftet werden kann. Im Notfall kann der Tollwutimpfstoff, wenn nicht direkt in der Praxis oder Rettungsstelle verfügbar, über entsprechende Notfalldepots (Download PDF) bezogen werden.
Bitte informieren Sie sich bei Ihrer lokalen Apotheke über das nächstgelegene Notfalldepot und an welche Notfallambulanz Sie sich im Ernstfall wenden können. Meistens und mindestens sind es die Universitätskliniken.
Die Schutzwirkung einer unverzüglich nach Exposition und lege artis durchgeführten PEP liegt bei Immungesunden bei nahezu 100 Prozent.
Sollte das Virus nach entsprechender Inkubationszeit bereits ins ZNS gelangt sein und die Person klinische Manifestationen ausgebildet haben, ist eine PEP unwirksam. Eine PEP sollte immer unverzüglich nach Exposition erfolgen und auch durch Laboruntersuchungen nicht verzögert werden. Bei entsprechender Exposition gibt es für eine PEP keine Kontraindikationen. Wurde trotz offensichtlicher Indikation keine PEP verabreicht (z.B. aufgrund fehlender Verfügbarkeit oder Unwissen), sollte diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt - auch noch Wochen nach der Exposition - nachgeholt werden, da die Inkubationszeit mehrere Wochen, Monate und sogar Jahre betragen kann.
Sollte ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin trotz dieser Überlegungen eine präexpositionelle Tollwutimpfung wünschen, so ist dies im Rahmen reisemedizinischer Impfungen zur Vorbereitung von Reisen in tollwutgefährdete Länder meist problemlos beim Hausarzt möglich, reisemedizinische Impfungen werden von fast allen Krankenkassen übernommen.
Wenn Arbeitgeber sich entscheiden, die Impfkosten für eine Tollwutimpfung zu übernehmen, so ist mit Kosten von etwa 400 Euro bis 500 Euro für eine Grundimmunisierung zu rechnen.
Die BG übernimmt keine Impfkosten.
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